Der Kunstpudel mit der Nudel
Der Kunstpudel mit der Nudel
Die Quelle aus Wut und Verachtung schien niemals zu versiegen – fast dreißig Jahre lang sezierte Thomas Bernhard schonunglos die österreichische Gesellschaft und machte sich damit kaum Freunde. Der sensible Neurotiker galt als unnahbar, launig und listig. Nur die Wenigsten kannten seine andere Seite: der unbezähmbare Zyniker konnte nicht nur hart austeilen sondern hatte auch Humor. Bernhard – ein Grenzgänger zwischen Gaga und Dada.
Der Tod, äußerte Thomas Bernhard lächelnd in einem Interview, säße wie ein Vogerl ständig auf seiner Schulter. Vielleicht war es die frühe Erfahrung mit der Begrenztheit des Lebens, die den Schriftsteller zu dem machte, was er zeitlebens verkörperte: Ein geniales, sensibles Ekel, das keine Schranken kannte und austeilte, ohne einstecken zu wollen. Als Adoleszenter erkrankt er an Lungentuberkulose, aufgegeben von den Göttern in Weiß. Doch Wunder, er überlebt. Die Bekanntschaft mit der Endlichkeit hat ihn geprägt, jedoch nicht gebrochen. „Ich bin eine lustige Person, da kann man leider nichts ändern, so tragisch alles andere ist“, meinte der Ausnahmekünstler.
Nur die Wenigsten kannten seine humorvolle Seite, viel vertrauter ist bis heute der Spötter und Nestbeschmutzer. Einmalige, bisher unveröffentlichte Tondokumente, dem Verlag vom im Vorjahr verstorbenen Bernhard-Freund Karl-Ignaz Hennetmair zur Verfügung gestellt, belegen: Im Kreise seiner engsten Vertrauten konnte der Künstler sich im wahrsten Sinne des Wortes gehen lassen. Zuweilen lebte er getreu dem Motto von Dadaismus-Guru Kurt Schwitters: „Wir tanzen, bis der Tod uns abholt.“
Wein, Schnaps und Wortwitz – Bernhard als Blödelbarde
„Ich habe keinen Menschen gekannt, der so witzig und charmant sein konnte wie er “, erinnerte sich der langjährige Weggefährte Karl-Ignaz Hennetmair im Gespräch mit Verlegerin Barbara Mucha im Jahr 2010. Der Oberösterreicher, der dem Literaten zu seinem ersten Haus, dem Vierkanthof in Obernathal, verhalf, erlebte den öffentlichkeitsscheuen Provokateur hautnah. Elf Jahre lang. Er sammelte nicht nur hunderte Briefe des umstrittenen Künstlers, sondern trieb seine Bernhard-Leidenschaft so weit, dass er sich 1974 ein Tonbandgerät kaufte und den Schriftsteller – selbstverständlich mit dessen Einverständnis – aufnahm. Eine Sensation. Acht Stunden Audiomaterial, banaler Alltag, der tiefe Einblicke gewährt – ein Schatz nicht nur für Bernhard-Forscher: Der Literat zu Besuch bei Hennetmair, dessen Frau und der Oma. Bernhard trinkt, lacht, singt und scherzt – die Aura des zynischen Künstlers hat er abgestreift wie einen zu schweren Mantel. Je später der Abend, desto ausgelassener der Gast. Die Aufzeichnungen muten an, wie Mundl für Intellektuelle.
Ich bin die Rose vom Wörthersee
Der Schriftsteller privat – eine Komödie in fünf Akten, deren Handlung sich darauf beschränkt, die Zeit bis zur Fernsehübetragung eines Bernhard-Stücks in der Küche von Hennetmair zu überbrücken.
Erster Aufzug
Bernhard (er studierte in jungen Jahren Musik in Salzburg und Wien) beginnt zu singen. „I blos auf meiner Klarinett, ich blos sogar auf`d Nacht im Bett.“ Es folgt: „Ich bin die Rose, die Rose vom Wörthersee.“
Hennetmair zu Bernhard: „I trink jetzt an Schnaps. Was mach ich?“
Bernhard: „Beten. Gute Nacht.“
Bernhard, mit leichtem Zungenschlag, philosophiert: „Augsburger, ich wäre so gerne ein Augsburger. Morgen ess ich eine Augsburger, weil mir die Speckwurst so schmeckt. Ich bin ja ein Augsburger. Ich wär gern a Ausgburger, vielleicht bin ich morgen ein Augsburger. Ausgburg kennt ein jeder, Ausgsburg kennen sie überall. Augsburg ist die Schwesternstadt von Salzburg. Salzburg hat aber keine Fugger (Anm.: bedeutende historische Familie). Die Fuggi, die Guggi, die Kunst der Fugger, von Johann Sebastian Bach.“
Zweiter Aufzug
Bernhard verstellt seine Stimme, spricht wie ein Norddeutscher: „Jetzt die Kunstpudelnummer.“ Schreit: „Die Nummer mit dem Kunstpudel hat er mir nicht erlaubt!“
Oma: „Im Fernsehen haben´s das erste Hundebegräbnis zeigt.“
Bernhard: „Rutscht´s mir den Pudel runter.“ Bernhard, lacht, lallt: „Der hat einen Sarg kriegt, mit vier Griffen zum Tragen. Den müssten die Schulkameraden tragen, vier Hunderln. War der Bericht in Zeit im Bild?“
Oma: „Na.“
Bernhard: „Wor des net des amerikanische, wos den Hund derschossen haben?“
Dritter Aufzug
Hennetmair holt sich einen Schnaps und bietet Bernhard an, sich in der Stube auf das Bett zu legen.
Bernhard: „I leg mich gleich hin. Ich bin a Hund, ich leg mich hin.“
Bernhard verstellt seine Stimme, klingt plötzlich tuntig: „Ich bin der Kunstpudel. Wissens wer heute bei uns war? Der Kunstpudel!“ Bernhard schreit: „Der Kunstpudel mit der Nudel! Mit der Kunstnudel! Übrigens: Jetzt gibt es keine Spaghetti mehr in Italien, hab ich gesehen. Weil das Mehl ausgegangen ist. Die Leute haben Hamsterkäufe gemacht, jetzt gibt es keine Spaghetti mehr.“ Bernhard reimt: „Spaghetti Pomodor, ich bin ein Popoloro.“
Der Literat will von Oma wissen, ob das Bett auszuziehen ist und fügt lachend hinzu: „I ziag mi aber net aus.“
Oma: „Nur die Lehne wird weggenommen.“
Bernhard singt mit glockenheller Stimme: „Die Lehne, die Lehne, fällt weg, weg, weg. Die Lehne fällt weg.“
Hennetmair betritt das Zimmer: „Oma, hast du gar keinen scharfen Schnaps? Ich bin komplett erledigt.“
Bernhard lacht, singt: „Guten Abend, gut Nacht, am Rheine wacht. Guten Abend, gute Nacht, ich hab den Kunstpudel gemacht. Lieber Gott, lass die Engel leuchten: Heute rot, morgen tot, übermorgen Himmelskompott.“
Während Henntemair mit Oma darüber diskutiert, dass es nur noch Whisky im Haus gibt, singt Bernhard weiter: „Tarara, tarara, wipp, wipp, blim, blim.“
Vierter Aufzug
Hennetmair zu Bernard: „Mogst an Schluck Whisky, Thomas?“
Berhard: „Na, lieber ein Whiskas. Eine Katze isst Whiskas. Oder Frolic.“ Bernhard beginnt laut zu bellen und ist nicht mehr zu stoppen. Schließlich beginnt er zu Miauen.
Hennetmair fragt: „Auf welcher Seite im Bett liegst du lieber? Auf der Erdseite oder schaust du zur Wand wenn du schläfst?“
Bernhard singt: „Ich schaue, ich schau, ich schau immer ganz genau. Mei liabe Frau ich schau genau.“
Bernhard legt sich nieder, lacht: „Jetzt steh i nimmer auf, jetzt könnt ihr mich morgen aufwecken. Sagt mir, wie das Theaterstück war.“
Fünfter Aufzug
Bernhard beginnt abermals zu singen: „Ich seh eine Gelse, Gelse, ich sehe drei Gelsen, die recken die Hälse.“
Hennetmair: „Wo?“
Bernhard: „Do. Vier Gelsen. Na, mehr! Zwei, drei, vier, sechs, acht Gelsen!“
Hennetmair (auf ein anderes Insekt an der Wand zeigend): „Wos is denn des?“
Bernhard: „Des is der Todesvogel. Wenn der wo sitzt, dann stirbt wer.“ Berhard bekommt einen Lachanfall: „Is wer do? Is wer do!? In jedem Stamperl, sitzt ein Himmelslamperl.“
Bernhard zur Oma: „Setzens ihna her. Auf mein Bett.“
Oma: „Na, da bricht alles.“
Bernhard (lacht): „Da passiert nichts. Ich möcht mich unterhalten. Wenn einer nimmer mehr red, dann ist er halt weg.“
Bernhard gibt Anweisungen, wie die Möbel im Zimmer zu verschieben sind, damit er alle Anwesenden vom Bett aus sehen kann und beginnt wieder zu singen: „Guten Abend, gute Nacht, früher als ich gedacht...“
Vorhand fällt
(Foto und Audiofile zur Verfügung gestellt von Karl Ignaz Hennetmair).
Das original Audio-File finden Sie hier:
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